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Was der Arbeitsmarkt 2024 braucht: mehr Chancen für Frauen, Alleinerzieher*innen und Langzeitarbeitslose

Der Arbeitsmarkt hat sich nach Corona unerwartet schnell erholt, die Beschäftigung war lange Zeit auf einem Rekordniveau. Ab dem zweiten Quartal 2023 stieg die Arbeitslosigkeit wieder leicht, dieser Anstieg setzte sich bis zum Jahresende fort. Die Rezession macht sich auch am Arbeitsmarkt bemerkbar. Insgesamt waren im Jahr 2023 270.773 Menschen arbeitslos gemeldet, davon 116.919 Frauen.

„Auf den ersten Blick scheinen Frauen etwas weniger von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein als Männer. Was dabei allerdings vergessen wird, ist, dass Frauen am Erwerbsarbeitsmarkt strukturell benachteiligt sind. Der entscheidende Faktor dafür ist die ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, der für Frauen zu Unsichtbarkeit am Arbeitsmarkt, aber auch zu Arbeitslosigkeit und Teilzeitarbeit führt. Dieser Faktor wird in der Statistik immer noch zu wenig berücksichtigt. Das muss sich ändern.“ Dafür setzt sich Sabine Rehbichler, Geschäftsführerin von arbeit plus Österreich, ein.

Mit einer europaweit sehr hohen Teilzeitquote von 50,7 % im Jahr 2022[1] – übrigens der zweithöchste Wert im EU-Vergleich – und einer Einkommensdifferenz beim Nettojahreseinkommen von 28,8 %[2] sind Frauen am österreichischen Arbeitsmarkt systematisch schlechtergestellt. Das heißt: Frauen verdienen weniger, sind viel häufiger von Altersarmut aufgrund geringer Pensionen betroffen und leisten weiterhin den Großteil der unbezahlten Sorge- und Pflegearbeit, sowohl in der Kinderbetreuung als auch bei der Pflege von älteren Angehörigen. Alleinerzieher*innen sind besonders betroffen, von 302.000 Alleinerziehenden-Haushalten 2023 waren 251.700 Frauen.

Ungleiche Verteilung von Care- und Sorgearbeit

Die kürzlich veröffentlichte Zeitverwendungserhebung der Statistik Austria zeigt deutlich, dass Frauen jeden Tag fast zwei Stunden unbezahlte Arbeit mehr leisten als Männer. Den bei Weitem größten Teil macht die Sorgearbeit für die Familie und im Haushalt aus. Männer leisten hier rund 40 Prozent weniger Sorgearbeit als Frauen. Bei der Kinderbetreuung zeigt sich: Je jünger das Kind, umso mehr unbezahlte Erziehungs- und Betreuungsarbeit übernehmen die Frauen. Insgesamt verbringen Frauen mehr als doppelt so viel Zeit mit den Kindern als Männer. Das führt dazu, dass die Hälfte aller Frauen in Österreich Teilzeit arbeiten (49,6 % aller Frauen 2021) – damit liegen wir im europäischen Spitzenfeld. Die meisten Frauen arbeiten allerdings nicht deshalb Teilzeit, weil sie sich ein schönes Leben machen wollen, sondern weil sie nicht anders können.

„Die ungleiche Verteilung der unbezahlten Sorge- und Pflegearbeit in Österreich ist ein Gleichstellungshemmnis. Dass die Sorgearbeit auch im Jahr 2024 immer noch wie selbstverständlich großteils von Frauen getragen wird, ist ein großer Stolperstein am Weg zur echten Wahlfreiheit“, so Sabine Rehbichler.

 

Ausgewählte Zahlen und Fakten zur ungleichen Verteilung:

  • Der häufigste Grund für Teilzeitarbeit bei Frauen sind Betreuungspflichten (38,4 %). Im Gegensatz dazu ist bei Männern der wichtigste Grund Aus- und Weiterbildung (20,4 %).
  • Über 90 % der beim AMS als Wiedereinsteiger*innen gemeldeten Personen sind Frauen. Das heißt, Wiedereinstieg ist weiblich und die Schwierigkeit beim Wiedereinstieg trifft dementsprechend auch hauptsächlich Frauen, die in schlecht bezahlte Jobs eintreten.
  • Vor allem Frauen nach längeren Phasen der Erwerbsarbeitslosigkeit und kurz vor der Pensionierung haben es besonders schwer, wieder eine Arbeit zu finden – das zeigt die Erfahrung der Betriebe im Netzwerk von arbeit plus.


Solange die Verantwortung für Care- und Sorgearbeit zum Großteil bei den Frauen liegt und die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen dermaßen eklatant sind, wird es keine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen geben. Nur wenn die Gleichstellungsblockaden systematisch angegangen werden, wird sich etwas verändern.

„Wer echte Wahlfreiheit schaffen will, muss Frauen wie Männern die Möglichkeit geben, Erwerbs- und Sorgearbeit in ihrem Leben vereinen zu können. Die Förderung von qualifizierter Teilzeit – und dies nur bei Frauen – bietet allein noch keine ausreichende Existenzsicherung und behebt nicht die Gefahr der Altersarmut“, betont Sabine Rehbichler.

Lösungsvorschläge für mehr Chancengerechtigkeit

Ein Thema seit vielen Jahren, vor allem am Land, ist eine flächendeckende, hochwertige, leistbare Kinderbetreuung. Es braucht mehr Plätze, längere Öffnungszeiten und einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Außerdem braucht es Lösungen, die auch bei untypischen Arbeitszeiten am Abend und in der Nacht zugänglich sind. Die angekündigten 4,5 Milliarden Euro der Bundesregierung müssen rasch und tatsächlich in Ausbau und Qualität investiert werden und schnell Lösungen schaffen.

Weiters braucht es Anreize, damit die partnerschaftliche Aufteilung zwischen den Elternteilen tatsächlich Realität werden kann. Dazu muss ein höherer Mindestanteil des Kinderbetreuungsgeldes für Väter bei einer partnerschaftlichen Teilung reserviert werden; Modelle für einen stufenweisen (Wieder-)Eintritt in den Arbeitsmarkt neben und nach Zeiten von Care- und Sorgearbeit wären ebenso hilfreich wie Pflegeangebote und die Anrechnung von Care- und Betreuungszeiten bei den Pensionen, damit Frauen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, ihr Alter nicht in Armut verbringen müssen.

Für Frauen mit Migrationshintergrund braucht es Möglichkeiten zur Qualifizierung, eine finanzielle Absicherung für Wiedereinsteiger*innen bei der Um- und Ausbildung, außerdem muss die Anerkennung von mitgebrachten formalen und informell erworbenen Kompetenzen erleichtert werden. Zur Reintegration nach längeren Auszeiten bewähren sich in Österreich Modelle stufenweiser Integration – ein schrittweises Anheben der Arbeitszeiten und Verantwortungen von stundenweiser Beschäftigung bis zum Vollzeitarbeitsplatz. Der Pilotversuch „Schritt für Schritt“ in Wien, der im Sommer 2023 gestartet ist, hat bereits in den ersten Monaten beeindruckende Erfolge gebracht, und das Projekt hat selbst Menschen, die schon lange aus dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen waren, den schrittweisen Wiedereinstieg ermöglicht. Eine österreichweite Umsetzung solcher Modelle wäre deshalb ein wichtiger Schritt vorwärts.

Es gibt keine einfachen Lösungen für das gesamtgesellschaftliche Problem der Geschlechter-Ungerechtigkeit, aber es gibt Lösungen. Um diese umzusetzen, ist die Arbeitsmarktpolitik gefordert, über die Ressortgrenzen und Institutionen hinweg zu denken und zu handeln – und in erster Linie die Lebensrealitäten von Frauen im Blick zu haben.

[1] Statistik Austria März 2023

[2] Statistik Austria März 2023, Zahlen laut Lohnabschluss 2021

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Sabine Rehbichler

Sabine Rehbichler ist Betriebswirtin, mit Erfahrung im Profit- und Non-profit-Bereich auf österreichischer wie internationaler Ebene, und Geschäftsführerin von arbeit plus – Soziale Unternehmen Österreich. arbeit plus ist ein Netzwerk von 200 sozialen Unternehmen, die Menschen, die am Arbeitsmarkt benachteiligt sind, mit Beratung, Qualifizierung und vorübergehender Beschäftigung beim Wiedereinstieg ins Berufsleben unterstützen.

Foto: Privatfoto ©

Wenn Alleinerziehende ungleich behandelt werden, zeigen wir das auf.

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